Haushaltsrede 2017 von Sabine Waldenmaier

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Schäfer,
sehr geehrte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung,
sehr geehrte Gemeinderatskolleginnen und -kollegen,
sehr geehrte Hemminger Mitbürgerinnen und Mitbürger,

 

als mir bei der Vorbereitung zur diesjährigen Haushaltsrede die letztjährige in die Hände fiel, erinnerte mich diese beim Überfliegen spontan an die US-amerikanische Filmkomödie „Und täglich grüßt das Murmeltier“ – denn vieles daraus ließe sich auch auf dieses Jahr übertragen.

Das soll nun keineswegs bedeuten, dass wir letztes Jahr geschlafen hätten. So wurde in dem zurückliegenden, streckenweise sehr anstrengenden Jahr, doch einiges entschieden und auf den Weg gebracht.

Es wurde beispielsweise das Baugesuch für den Kindergarten Hälde samt Einbau von drei Wohnungen verabschiedet, die Bauphase startet demnächst. Interimsweise wurde derweilen der Kindergarten Seestraße wiedereröffnet, um den erhöhten Betreuungsbedarf durch den bereits begonnen Zuzug in der Hälde zu decken. Der Weg für das neue Feuerwehrgerätehaus wurde gelegt. Und die längst überfällige Entscheidung zur Entwicklung der Glemstalschule über den mittleren Bildungsabschluss hinaus, wurde mit der Ablehnung der Machbarkeitsstudie getroffen.

Doch der uns vorliegende Haushaltsplan bereitet uns nach wie vor großes Kopfzerbrechen.
Während der Wirtschaftsmotor brummt, blicken wir auf ein Defizit im veranschlagten Gesamtergebnis von knapp 4 Mio. EUR.

Im Wesentlichen ist dieses Einnahme-Ausgaben-Defizit rückläufigen Gewerbesteuereinnahmen (trotz Hochkonjunktur!) und ständig steigenden Personalkosten, hauptsächlich im Bereich der Kinderbetreuung, geschuldet.

Die Gesamtpersonalkosten betragen für 2017 voraussichtlich knapp 7,2 Mio. EUR, diese werden auch 2018 nochmals auf dann knapp 8 Mio. EUR ansteigen – im Jahr 2020 werden wir um die 8,5 Mio. EUR aufbringen müssen.

Ebenso trägt das Neue Kommunale Haushaltsrecht (NKHR), auch Doppik genannt, seinen Teil durch die zu erwirtschaftenden Abschreibungen bei. Diese betragen für 2017 immerhin gut 1,3 Mio. EUR und werden in den Folgejahren, investitionsbedingt, ebenfalls steigen.

Die Finanzplanwerte führen diesen defizitären Trend fort, sofern sich an der Einnahmen- und Ausgabensituation nichts ändert.

Bis 2020 sind Investitionen von rund 25,5 Mio. EUR geplant. U.a. für den Bau des Kindergartens Hälde, des Feuerwehrmagazins samt neuer Drehleiter, aber auch für Straßensanierungen, den Bahnquerungen zur Hälde, den Bauhof, sowie dringend erforderliche Gebäudeinvestitionen in der Glemstalschule, um nur die Wichtigsten zu nennen.

Anhand dieser Fakten benötigt man nicht viel Abstraktionsvermögen, um zu erkennen, dass die Reserven aus „guten“ Jahren, bei keiner Gegensteuerung schneller dahinschmelzen als das Eis in der Sonne.

Die starke Anlehnung des NKHR an die Betriebswirtschaft zur Förderung der Wirtschaftlichkeit steht in einem starken Spannungsverhältnis zu den dem Gemeinwohl verpflichtenden Aufgaben einer Kommune.

Während ein erfolgreiches Wirtschaftsunternehmen nur in Bereichen investiert, in denen erfolgsversprechende Gewinne erzielt werden können und die Preise für seine Produkte entsprechend festlegt, so ist die Kommune zu Aufgaben verpflichtet, denen bestenfalls kostendeckende Gebühren, wie beispielsweise bei der Wasser- und Abwasserversorgung, gegenüberstehen.

Bei anderen Pflichtaufgaben, wie zum Beispiel der Kinderbetreuung, decken Gebühren und Zuweisungen die Aufwendungen bei weitem nicht. Das Land verpflichtet uns zur Erbringung dieser Leistung, der daraus resultierende Fehlbetrag verbleibt aber bei der Gemeinde!

Alles was über die Pflichtaufgaben hinaus geht, gehört zu den freiwilligen Aufgaben bzw. Leistungen einer Gemeinde. Und nur in diesem Bereich gibt es den Handlungsspielraum, Kosten durch Streichung von Angeboten zu senken.

Das Fatale ist, dass gerade diese Bereiche Herz und Seele einer Gemeinde ausmachen. Ein stures Zusammenstreichen unter alleiniger Kostenbetrachtung hätte mitunter verheerende Auswirkungen auf das Gemeindeleben. Das macht die Konsensfindung schwer und nervenaufreibend, und gerade hier zeigt sich, dass es leider keine einfachen Lösungen gibt.

Die wenigen Gemeinden im Landkreis Ludwigsburg, die bereits auf die Doppik umgestellt haben, werden allesamt keinen ausgeglichenen Haushalt vorweisen können.

Das soll das NKHR weder verteufeln noch unser Ergebnisdefizit entschuldigen. Vielmehr müssen wir das neue Haushaltsrecht als Steuerungsinstrument sehen und, vor allem, verstehen lernen.

Der neue Haushalt verknüpft zum Einen die Sicht auf das, was wir innerhalb der Kommune leisten (Produkte) mit der Sicht auf den jeweiligen Ressourcenbedarf – sprich: was uns das unterm Strich tatsächlich kostet. Und es gestattet uns ergänzend einen Blick auf die erzielten Ergebnisse.
Letzteres ist durch das unterjährige Berichtswesen über die Zielerreichung auch gesetzlich festgeschrieben (§28 GemHVO) und kann jederzeit abgerufen werden.

Keine Angst vorm Defizit. Denn durch den zu erwirtschaftenden Werteverzehr, den es so in der Kameralistik seither nicht gab, wird es grundsätzlich nicht möglich sein, jedes Jahr einen ausgeglichenen Haushalt vorzuweisen. Bedingt auch durch einmalige größere Investitionen bzw. Sanierungsmaßnahmen, die immer wieder mal in einer Gemeinde anstehen. Das zieht sich so durch alle Kommunen, die bereits nach dem NKHR haushalten.

Vielmehr ist es von Bedeutung, immer mehrere Jahre, auch rückwirkend, zu betrachten und das große Ganze im Blick zu behalten. Hier muss der Haushaltsausgleich über die Jahre hergestellt sein, damit das Ganze auch der intergenerativen Gerechtigkeit Rechnung trägt.

Allein ein ausgewiesenes Defizit im Ergebnishaushalt darf uns nicht daran hindern, dringend erforderliche Investitionen zu tätigen. Denn die Infrastruktur abzuleben und dringende Investitionsentscheide an nachfolgende Generationen abzuschieben hat ebenso wenig mit Generationengerechtigkeit zu tun, wie unnötige Nice-to-Haves ohne Rücksicht auf die Folgekosten unters Volk zu bringen.

Für jegliche Investitionsentscheidung ist eine Kosten-Nutzen-Analyse unter Berücksichtigung der Folgekosten, die uns das NKHR bietet, heranzuziehen.

An dieser Stelle möchten wir die Verwaltung nochmals ausdrücklich darauf hinweisen, wie wichtig uns die Substanzerhaltung unserer Gebäude ist. Zeitnah ausgeführte Erhaltungsmaßnahmen sind wesentlich günstiger, als später größere Schäden zu beheben.

Bei allen Sparmaßnahmen sollten wir uns immer wieder bewusst machen, dass es für die Nachhaltigkeit der Maßnahme von großer Bedeutung ist, inwieweit sie mit der Ursache in Verbindung steht.

Die SPD wird nicht müde ein strukturelles Defizit im Haushalt in Abrede zu stellen.
Das ist fatal und entwertet die Aussagekraft des NKHR gegenüber dem Bürger.

Beim Erstellen des HHPL sind alle Kosten und Einnahmen durch die Verwaltung zu rechnen und nur da, wo dies nicht möglich ist, sind diese realistisch zu schätzen. Das ist gesetzlich festgeschrieben. Somit gibt es keinen Grund den vorliegenden Haushalt an irgendeiner Stelle anzuzweifeln. Was uns aber trotzdem nie hindert, einen kritischen Blick darauf zu werfen und bei Unklarheiten nachzufragen.

Als vorausschauende Rechnung wird uns hier dargestellt, wie sich der Haushalt unter den derzeitig bekannten Bedingungen bis zum Jahresende verändern wird. Sie legt den Handlungsrahmen fest und dient uns als Entscheidungs- und Steuerungsgrundlage. Das tatsächliche Ergebnis zeigt uns der Jahresabschluss, der dann durchaus vom Planansatz abweichen kann, bedingt aber durch derzeit nicht bekannte Ereignisse und Maßnahmen.

Wenn wir den eingebrachten Haushaltsplan 2017 näher betrachten, und gedanklich die Differenz der erhöhten Transferaufwendungen, die einem guten 2015 geschuldet sind, sowie die Abschreibungen abziehen, bleibt nach wie vor ein Delta von ca. 600 Tsd. EUR, das wir aus den Einnahmen von 2017 nicht decken können. Selbst wenn wir berücksichtigen, dass ein vorausschauender Kämmerer Sicherheiten für den Notfall miteinkalkuliert, bleibt nach wie vor ein beträchtliches Loch im Haushalt bestehen. Es wäre unverantwortlich nicht zu handeln.

Es ist bestimmt angenehmer, vor den Tatsachen die Augen zu verschließen und gebetsmühlenartig ein strukturelles Defizit nicht sehen zu wollen, um sich damit gegen unbequeme aber nötige Entscheidungen zu positionieren – und das den anderen zu überlassen.
Würden wir alle diesen Weg wählen, wären wir früher oder später nicht mehr Herr des Verfahrens, die Kommunalsaufsicht würde festlegen, was wir zu tun haben (wie aktuell bei der Gemeinde Tamm geschehen).

Wir sollten uns vor Augen halten, dass eine Kommune eher einem schwerfälligen Dampfer als einem Motorsportboot gleicht – Kurskorrekturen sind meist nicht von jetzt auf gleich umsetzbar.
Daher sollten wir bei Zeiten gegensteuern, um sicher in den Hafen einfahren zu können.

Ein Blick in den Haushaltsplan zeigt uns, dass das Produkt mit dem am Abstand höchsten Nettoressourcenbedarf die Kinderbetreuung ist. Sie ist somit der größte Kostentreiber in unserer Gemeinde.

Im Bereich der Kinderbetreuung hat sich in den letzten Jahren viel getan. Im Hinblick auf Vereinbarkeit von Familie und Beruf wurde die bedarfsgerechte Betreuung ab dem 1. Lebensjahr gesetzlich festgeschrieben.

Daraus resultierende neue Öffnungs- und Betreuungszeiten, Ganztagsbetreuung ab dem ersten Lebensjahr und der landesgesetzlich vorgeschriebene Personalschlüssel, der den Bedürfnissen kleiner Kinder entspricht, haben die Kinderbetreuung grundlegend, gerade im Hinblick auf die Berufstätigkeit der Eltern, positiv verändert – machen sich aber auf der Kostenseite stark negativ bemerkbar.

In 2017 stehen Einnahmen von knapp 1,5 Mio. (durch Beiträge und Zuweisungen) Ausgaben von
4,5 Mio. entgegen. Nehmen wir nun die internen Leistungen, sowie die Abschreibungen der Gebäude dazu, die eigentlich vom Produkt ebenfalls mit erwirtschaftet werden sollen, so beschert uns die Kinderbetreuung einen Nettoressourcenbedarf von knapp 4,1 Mio. Euro, der dann an anderer Stelle erwirtschaftet oder eingespart werden muss.
Im Jahr 2015 betrug dieser, zum Vergleich, noch 2,3 Mio. EUR.

Es ist daher dringend geboten die Gebühren in diesem Bereich anzupassen und Kosten, wo es möglich ist, zu senken. Das hört sich aufs Erste fatal an, ist aber bei der momentanen Entwicklung und bei einem Defizit in dieser Höhe leider nicht vermeidbar – solange uns das Land hier im Regen stehen lässt.

Es ist unumgänglich Hemmingens hochkomplizierte und aufgeblähte Gebührenstruktur in der Kinderbetreuung von Grund auf zu hinterfragen und neu zu ordnen, um die Lasten sozialverträglich für ALLE zu verteilen.

Es muss dann künftig eine regelmäßige Gebührenanpassung stattfinden, denn jede tarifvertragliche Gehalterhöhung schlägt sich hier durch die Personalintensivität merkbar auf der Kostenseite nieder – die auf Dauer nicht alleine durch die Gemeinde, und somit der Allgemeinheit, getragen werden kann.

Die Hemminger Kindergärten bieten eine sehr hohe Qualität. Vieles was hier angeboten wird, besonders in der Sprachförderung, geht weit über die Anforderungen des Orientierungsplans hinaus und ist somit in der Freiwilligkeitsleistung angesiedelt.

Sicherlich ist die Sprachförderung gerade in der heutigen Zeit, wo wir vor riesigen Integrationsaufgaben stehen, besonders wichtig. Deshalb ist es auch nicht vorgesehen die Sprachförderung auf ein Mindestmaß zurückzufahren, sondern lediglich Doppelstrukturen kind- und personalverträglich abzubauen. Dadurch wird in diesem Bereich immer noch mehr geleistet und abgedeckt als gefordert ist. Diese Maßnahme entlastet den Haushalt im laufenden Jahr noch um
35 Tsd. EUR und im Folgejahr um 83 Tsd. EUR.

Eine Kürzung um 10% bei den Aufwendungen für Sach- und Dienstleistungen halten wir ebenfalls für vertretbar. Die Kinderbetreuungseinrichtungen sind alle in einem sehr guten Zustand und sehr gut ausgestattet. Die jährliche Mittelbereitstellung für Sachaufwendungen betragen insgesamt über 200 Tsd. Euro. Bei einer Kürzung um 10% verbleiben dort nach wie vor rund 180 Tsd. Euro.

Allein aufgrund dieser Einsparmöglichkeiten in der Kinderbetreuung sehen wir keine einseitige Belastung der Hemminger Familien, wie es aus den Reihen der SPD tönt. Um hier von Belastungen sprechen zu können, müssten diese dann auch spürbar sein.

Aufgrund der guten Ausstattung der Kinderbetreuungseinrichtungen werden die Kinder gewiss keinen Mangel erleiden, wenn den Einrichtungen für die Sachleistungen „nur“ rd. 180 Tsd. EUR zur Verfügung stehen.

Und in der Sprachförderung liegt Hemmingen trotz dem Rückbau der Doppelstrukturen über dem Pflichtbereich – und wird somit nach wie vor eine hohe Qualität bieten.

Wir Menschen neigen oft zu dem Gedanken, dass viel auch viel hilft – doch erfahren wir nicht immer wieder, das Weniger oftmals Mehr sein kann?

Mit einer moderaten Anpassung der Kinderbetreuungsgebühren, belasten wir natürlich die Familien die gerade Kinder in diesem Alter haben – aber gerade diese haben ja auch den direkten Nutzen der Leistung. Ein beachtliches Defizit wird auch dann noch von der Gemeinde zu tragen sein.

Und letztendlich sind es immer die Bürger, die die Lasten zu tragen haben, ob direkt durch Gemeindesteuern, Leistungsentgelte und Gebühren oder eben indirekt.

Neben der Erhebung von Leistungsentgelten, Gebühren und Beiträgen, sind die Festlegung der Hebesätze für die Grund- und Gewerbesteuer, die direkt beeinflussbare Ertragsmöglichkeit einer Kommune.

Aufgrund der derzeitigen Haushaltslage, haben wir uns dazu durchgerungen, die Erhöhung der Hebesätze bei der Grundsteuer A + B um 30 Punkte und die Erhöhung bei der Gewerbesteuer um 10 Punkte mitzutragen. Nur durch die Erhöhung der Hebesätze ist es uns möglich alle Bürger mit ins Boot zu nehmen und zu beteiligen.

Seit der Haushaltsentwurf im Dezember des letzten Jahres eingebracht wurde, wurde dieser mit dem Ziel, Einsparmöglichkeiten zu erarbeiten, in mehreren Sitzungen intensiv vorberaten.
Die Vorlage hierzu lieferte in erster Linie die Verwaltung mit der wertungsfreien Aufstellung aller freiwilligen Leistungen samt deren Kosten.

Wir haben in diesem Jahr aufgrund der Haushaltslage bewusst auf das Einbringen eigener Anträge verzichtet – allerdings nicht, um uns hinter der Verwaltung zu verstecken, wie von SPD-Seite gerne behauptet wird.

Die möglichen Einsparmöglichkeiten wurden, wie bereits erwähnt, ausgiebig vorberaten bzw. in Klausurtagungen zusammen erarbeitet. Es liegt uns fern, aus diesem gemeinsam erarbeiteten Konzepten, das für uns Passende zu pflücken und in Form eigener Anträge nochmals einzubringen.

In einem hat die SPD aber durchaus recht: Wir betrachten die Verwaltung nicht, wie es bei der SPD oft den Anschein hat, als den natürlichen Feind des Gemeinderats.
Vielmehr setzen wir hier auf eine konstruktive Zusammenarbeit mit der Verwaltung und den Gemeinderatskolleginnen und -kollegen, um zu bestmöglichen Ergebnissen für Hemmingen und für die Bürgerinnen und Bürger zu gelangen.

Letztendlich misst sich der Erfolg des Gemeinderats nicht an der Quantität der eingebrachten Anträge, sondern an den nachhaltigen und guten Entscheidungen, die er für die Gemeinde auf den Weg gebracht hat.

Wie Abraham Lincoln schon erkannt hatte: „ist der beste Weg, die Zukunft vorauszusagen, sie selbst zu gestalten“.

Unser Dank geht an alle Gemeinderatskolleginnen und -kollegen, an Sie, Herr Schäfer und an die ganze Verwaltung für Ihre Leistung.

Wir stimmen dem vorliegenden Haushaltsplan 2017 zu.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

 

Für die Freien Wähler

Sabine Waldenmaier

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