Rede zum Haushalt 2022

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Schäfer,
sehr geehrte Damen und Herren der Verwaltung,
sehr geehrte Gemeinderatskolleginnen und -kollegen,
sehr geehrte Mitbürgerinnen und Mitbürger,
sehr geehrte Damen und Herren,

 

lange saß ich dieses Jahr vor einem leeren Stück Papier auf der Suche nach dem Anfang dieser Rede.

Nach zwei Jahren Pandemie-Ausnahmezustand liegt überall eine spürbare Erschöpfung in der Luft.

Es schien mir daher ein guter Aufhänger zu sein, mit den laufenden und geplanten Investitionen zu beginnen, die unserem direkten Einfluss unterliegen und die sowohl das gegenwärtige wie auch das zukünftige Gemeindeleben gestalten.

Was läuft bereits – was kommt noch …

  • Der Neubau des Bauhofes liegt in seinen letzten Zügen.
    Das insgesamt 3,6 Mio. EUR teure Gebäude wird dieses Jahr noch bezogen werden.
    Das ständige Improvisieren und die teils langen Rüstzeiten bis zum Arbeitseinsatz gehören beim Bauhof dann der Vergangenheit an.
    Unser Dank an dieser Stelle an das Bauhof-Team für die geleistete Arbeit unter den seither erschwerten Bedingungen.
  • Das durch den Auszug des Bauhofes freiwerdende Gebäude in der Goethestraße soll abgerissen werden.
    Im Zuge des sozialen Wohnungsbaus werden auf dem freiwerdenden Grundstück zwei Mehrfamilienhäuser mit jeweils 6 Wohneinheiten entstehen.
    Realisieren soll das bereits geplante Projekt die Bürgergenossenschaft Wohnen Landkreis Ludwigsburg.
    Der Bau und die spätere Bewirtschaftung obliegt dann dieser.
    Die Gemeinde bringt lediglich das Grundstück ein und wahrt sich damit die Belegungsrechte.
    Wichtig wäre uns hier die Festlegung einer klar definierten Mietobergrenze.
    Damit schaffen wir weiterem sozialen Wohnraum mit einer für uns überschaubaren finanziellen Belastung – schon allein dadurch, dass unser Haushalt nicht mit weiteren Abschreibungen belastet wird.
  • Zusammen mit dem Wohnbauprojekt der Vector-Stiftung in der Hauptstraße wird unsere Gemeinde künftig mit insgesamt 18 neuen zeitgemäßen Wohneinheiten im Bereich des sozialen Wohnungsbaus versorgt sein.
  • Auch der Bau der KiTa Laurentiusstraße hat begonnen und wird uns bis zur Fertigstellung voraussichtlich knapp 3,9 Mio. EUR kosten.
    Hierzu konnte sich die Gemeinde immerhin eine Förderzusage über 116 Tsd. EUR für die Lüftungsanlage sichern.
    Das Investitionsprogramm des Bundes war massiv überzeichnet, so dass wir hierzu keinerlei Chancen auf eine weitere Förderung hatten und den Bau weitestgehend allein stemmen müssen.
  • Der geplante Naturkindergarten mit einem Gesamtinvestitionsvolumen von 190 Tsd. EUR wird 2022 noch mit 60 Tsd. EUR zu Buche schlagen und künftig eine gute Ergänzung zum bereits bestehenden Betreuungsangebot bieten.
    Im Vergleich zu unseren anderen Kindertageseinrichtungen sind die Entstehungskosten selten günstig, auch wenn uns hier und da – nach typisch deutscher Manier – nicht immer nachvollziehbare kostentreibende Auflagen gemacht wurden.
  • Für die geplante Horterweiterung sind Verpflichtungsermächtigungen vorgemerkt.
    Das knapp 2 Mio. EUR teure Bauvorhaben wird mit dem bevorstehenden Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz nötig.
    Die 100 Tsd. EUR Planungskosten sind zu 70% förderfähig.
    Für die Baumaßnahmen plant das Land noch ein Förderprogramm aufzulegen. Sobald hierüber Klarheit herrscht, kann es losgehen.
    Bleibt zu hoffen, dass wir – anders als beim Bau der KiTa Laurentiusstraße – zum Zuge kommen.
  • Die Sanierung und Erweiterung der Glemstalschule nimmt an Fahrt auf und für das Jahr 2022 sind hierfür 2,5 Mio. EUR eingestellt.
  • Ferner beabsichtigen wir auf dem Friedhof die Grabfelder A + B umzusetzen.
  • Neben anderen „kleineren“ Investitionen ist dieses Jahr auch die Realisierung unseres Antrags über die Installation des Parkleitsystems eingeplant.
    Im Bereich des Ärztehauses sollen hier künftig die noch freien Parkplätze angezeigt werden.
    Wir versprechen uns davon, dass die teils haarsträubenden Wendemanöver bei der vergeblichen Parkplatzsuche zu Stoßzeiten merklich entschärft werden.
  • Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die wichtigsten Investitionen im Finanzplanungszeitraum bis 2025 nach heutigem Stand Maßnahmen über 19,5 Mio. EUR umfassen.
    Die Fertigstellung des Bauhofes schlägt hierbei nur noch mit 800 Tsd. EUR zu Buche.

Allein auf die großen Projekte der Bereiche Kinderbetreuung und Schulträgerschaft entfallen davon 12,1 Mio. EUR und somit 62,5% des Gesamtaufwandes der wichtigsten Maßnahmen.

Der Naturkindergarten und die Ausstattung der Grundschule mit neuen „Active Panels“ sind als „kleinere“ Posten darin gar nicht enthalten.

Trotz einer Kreditaufnahme über 2,5 Mio. EUR wird unsere Liquidität nach heutigem Planungsstand Ende 2025 auf 1,8 Mio. Euro abgeschmolzen sein.

Die Zeiten, in denen wir stets auf einen gut gefüllten Sparstrumpf blickten, gehören dann erstmal der Vergangenheit an.

Doch dafür wird und wurde in den letzten Jahren viel in die Infrastruktur investiert und unsere Gemeinde gut für die künftigen Jahre gerüstet.

In Zeiten von Negativzinsen und Inflation ist das bestimmt der nachhaltigere Werteerhalt des Gemeindevermögens.

Denn wenn wir Ende 2025 auf die voraussichtlich noch verbliebene Liquidität blicken, schauen wir auch auf:

  • moderne und zeitgemäße Kinderbetreuungseinrichtungen, darunter zwei Neubauten und ein Waldkindergarten
  • eine fortschrittliche, gut ausgestattete Grundschule mit erweitertem Hort und einem guten Betreuungsangebot
  • ein modernes und gut für die Zukunft gerüstetes Feuerwehrmagazin nebst neuer Drehleiter und zeitgemäßer technischer Ausstattung
  • einen neuen Bauhof, der auch unseren Forstwirten Räume zur Lagerung von Material bietet
  • eine neugestaltete und komplettsanierte Seestraße
  • barrierefreie Bushaltestellen mit elektronischer Fahrgastinformation
  • ein modernes Parkleitsystem im Ortskern
  • einen sanierten „Alter Schulplatz“
  • eine zeitgemäße und zentral gelegene Tagespflegeeinrichtung
  • und last but not least – einen schönen neugestalteten Friedhof.

Die Sanierung und Erweiterung der Glemstalschule ist in dieser Aufzählung nicht enthalten, da dieses Millionenprojekt nicht aus dem Sparstrumpf, sondern durch Kreditaufnahmen finanziert wird.

Die Versprechen der Regierung…

… oder den Letzten beißen die Hunde.

Dem Bürger werden von Bund und Land immer mehr staatliche Leistungen, neue Rechtsansprüche und staatliche Dienstleistungen in Aussicht gestellt, ohne eine klare und solide Finanzierung eben dieser an die Kommunen mitzuliefern.

Die Umsetzung dieser meist in Rechtsansprüche gegossene Pflichtaufgaben obliegt meist den Kommunen.

Diese stellten unsere Gemeinde schon vor der Pandemie wiederkehrend vor das Problem, einen unausgeglichenen doppischen Haushalt mit teils beträchtlichen Defiziten aufstellen zu müssen.

Während die Leistungsfähigkeit all dieser Aufgaben mit einem ausgeglichenen Haushalt schon während der langanhaltenden Wachstumsphase der „Vor-Corona-Zeit“ kollidierte, ist die Finanzierung der notwendigen zahlreichen Zukunftsaufgaben, die auch den Koalitionsvertrag der neuen Regierung prägen, noch gar nicht eingerechnet. Ich erinnere hier beispielsweise an den schon genannten künftigen Anspruch auf einen Hortbetreuungsplatz.

Es wäre daher dringend notwendig von Regierungsseite eine Antwort zu erhalten, wie wir mit einer begrenzten Leistungsfähigkeit all diesen Aufgaben verlässlich, nachhaltig und generationengerecht nachkommen können und sollen.

Pandemie in der Dauerschleife

Nach zwei Jahren Pandemie drehen wir uns nach wie vor im Kreis.

Während uns vor einem Jahr die nahende „Impfung“ als „Game-Changer“ hoffnungsvoll in Aussicht gestellt wurde, sind wir laut dem Impfdashboard des RKI, Stand 04.02.2022, bei mindestens 74,3 % vollständiger Geimpfter und mindestens 53,9 % Geboosteten der Gesamtbevölkerung mit Blick auf die stark ansteigenden Inzidenzen keinen Schritt weiter, wohl aber um eine Hoffnung auf baldige Beendigung der Maßnahmen ärmer.

Während mittlerweile immer mehr Länder um uns herum zur „Normalität“ zurückkehren und die verordneten Hygieneschutz- und Sicherheitsmaßnahmen schrittweise zurücknehmen, halten wir in Deutschland und ganz besonders in Baden-Württemberg an den Maßnahmen mit allen Konsequenzen fest.

Die Menschen sind zermürbt und müde. Es geht ein Riss durch die Gesellschaft, wie ich ihn Zeit meines Lebens nie erlebt habe und bis vor kurzem auch nie für möglich gehalten hätte.

Die Spaltung geht durch die gesamte Gesellschaft und macht leider auch vor Familien und Freunden nicht halt.

Die alte, wie die neue Regierung und ihre Berater scheinen dem Glauben verhaftet, die Lage unter vollständige Kontrolle bringen zu müssen und sitzen damit wohl dem menschlichen Irrglauben auf, alles kontrollieren zu müssen und können.

Es steht mir nicht zu, diese Maßnahmen zu bewerten.

Doch meine bisherige Lebenserfahrung, auch als Mutter dreier größtenteils erwachsener Kinder, hat mich gelehrt, dass das Leben sich nicht kontrollieren lässt, es lässt sich bestenfalls beeinflussen und auch dann führt nicht jede Maßnahme zum gewünschten Erfolg.

Doch mit der erforderlichen Gelassenheit, der nötigen Reflektion und dem Beschreiten neuer Wege, wenn uns die alten ausgetretenen Pfade nicht weiterbringen, kommt man zu guter Letzt dann doch weiter und meist auch zu einem guten Ende.

Ein Licht am Ende des Tunnels?

Während die Regierenden das Pandemiegeschehen nach wie vor schwarzmalen, scheint der Blick auf die wirtschaftliche Entwicklung und der künftigen Steuereinnahmen ausnahmslos durch die rosarote Brille zu erfolgen.

Nachdem die Verwaltung mit der Einbringung des Haushaltsplans am 14.12.2021 noch von einem defizitären Gesamtergebnis von gut 1,6 Mio. EUR ausging, verbesserte sich dieses durch die aktualisierten Orientierungsdaten des Landes und der Anpassung der Steuerschätzung um 690 Tsd. EUR auf nun 970 Tsd. EUR.

Es steht außer Frage, dass die Verwaltung den jährlichen Haushaltsplan nach bestem Wissen und Gewissen erstellt und hierfür auf die aktuellen Daten der Schätzungen von Land und Bund zurückgreift.

So gern ich diesen Prognosen glauben möchte, stimmen mich meine derzeitigen Wahrnehmungen bezüglich der „rosigen“ Aussichten dennoch skeptisch.

Unbestritten ist die derzeit um sich greifende Inflation für alle deutlich spürbar. Steigende Rohstoff- und Energiepreise treiben die Preisspirale an. Das wird sich früher oder später auch auf das Konsumverhalten der Bürger niederschlagen.

Beispielsweise werden sich weltweit steigende Düngerpreise auf die Lebensmittelproduktion auswirken. Stark steigende Lebens- und Nahrungsmittelpreise und auch Engpässe in der Versorgung könnten die Folge sein.

Und nicht nur steigende Lebensmittelpreise werden für zunehmend steigende Lebenshaltungskosten sorgen.

Das wird unsere Bürger mit geringen Einkommen und Familien am härtesten Treffen.

Steigende Energie- und Rohstoffpreise – oftmals gepaart mit außerordentlich langen Lieferzeiten könnten die wirtschaftliche Erholung eher bremsen, so dass die Erholung nicht wie erhofft und prognostiziert eintritt.

Es ist hier gewiss zwischen großen Konzernen sowie kleinen und mittleren Unternehmen zu unterscheiden.

Während die ersteren bis jetzt gut durch die Krise gekommen sind und teils sogar davon profitiert haben, machte der Ausnahmezustand hauptsächlich den kleinen und mittleren Unternehmen zu schaffen.

Es sollte nicht unterschätzt werden, dass die kleinen und mittleren Unternehmen eine nicht zu vernachlässigende Zahl an Arbeitsplätzen bereitstellen und auch zu den vielleicht nicht großen, dafür aber meist zuverlässigen Gewerbesteuerzahlern gehörten.

Der Gastronomie und Eventbranche setzten bzw. setzen die Maßnahmen und Hygieneverordnungen massiv zu und auch der Einzelhandel klagt über deutliche Einbußen.

Mit eventuell daraus resultierenden Geschäftsaufgaben oder -insolvenzen gehen in erster Linie Arbeitsplätze verloren.

Sofern sich solche Ereignisse negativ auf den Arbeitsmarkt durchschlagen, könnte dies schlussendlich die Gemeinde empfindlich beim Einkommenssteueranteil treffen.

Mittlerweilen ist der gemeindliche Anteil an der Einkommenssteuer mit prognostizierten 5,4 Mio. Euro neben der vorsichtig geschätzten Gewerbesteuereinnahme von 4 Mio. EUR einer der wichtigsten und seither verlässlichsten Ertragsposten in unserem Haushalt.

Doch neben den finanziellen und wirtschaftlichen Folgen wird Corona auch im gesellschaftlichen Leben eine Schneise der Verwüstung hinterlassen.

Die wirtschaftlichen, finanziellen und auch gesellschaftlichen Auswirkungen der Pandemie werden auch die nachfolgenden Generationen noch beschäftigen.

Gerade die junge Generation leidet am stärksten. Wir dürfen die seelischen, gesundheitlichen und auch bildungsbiographischen Folgen nicht bagatellisieren.

Vereine könnten einen wertvollen Beitrag an der gesellschaftlichen Aussöhnung in einer „Post-COVID-Ära“ leisten.

Eine besondere Rolle könnte der gemeinsamen körperlichen Betätigung im Sportverein zukommen.

Die Pläne des neuen GSV-Vorstandes haben wir daher wohlwollend zur Kenntnis genommen.

Die angespannte Haushaltslage lässt aber nur eine begrenzte finanzielle Unterstützung zu.

Es war uns daher ein Anliegen, die verfügbaren Mittel bereitzustellen, die Priorisierung und Auswahl der Maßnahmen aber federführend dem Verein zu überlassen.

Die vorrangige Umsetzung der Beachvolleyballfelder schien auch uns naheliegend, da hiervon wohl die meisten aus dem Verein profitieren – letztendlich sollte aber die Reihenfolge der anstehenden Investitionen von der GSV erfolgen.

Was mir noch wichtig ist, zu sagen …

Ich bedauere sehr, dass diese Sitzung wieder nur Online stattfinden kann. Für eine Präsenzsitzung ist dies nur ein unzureichender Ersatz und ich wünsche mir sehr, dass die Sitzungen bald wieder ausnahmslos in Präsenz stattfinden können und auch werden.

Meiner Meinung nach leidet die Qualität der Debatten und Beratungen sehr. Der Mensch ist – Technik hin oder her – eben doch (noch) ein analoges und kein digitales Wesen.

Nachdem die Zusammenkünfte außerhalb der Sitzungen nun leider auch der Vergangenheit angehören, kommt den Sitzungen in Präsenz – nach meiner Ansicht – eine noch wesentlich größere Bedeutung zu. Sie sind im Vor- und Nachgang nunmehr einer der wenigen verbleibenden Möglichkeiten des persönlichen Austausches.

Es bleibt zu hoffen, dass …

  • auch Deutschland ein baldiges Ende aus dem Pandemiegeschehen findet,
  • die Folgen der Pandemie gut und erfolgreich aufgearbeitet werden können,
  • die Leute wieder Zuversicht und Lebensfreude verspüren,
  • die gesellschaftlichen Gräben zugeschüttet oder zumindest so weit überbrückt werden können, dass ein friedliches und respektvolles Miteinander wieder möglich wird.

In schlechten Zeiten wird die Gemeinderatsarbeit ein stückweit härter werden. Die Debatten und Entscheidungen über unliebsame Gebühren- und Steuerhöhungen werden uns gerade dann nicht erspart bleiben.

In der Hoffnung, dass die guten Prognosen der Steuereinnahmen so sicher eintreffen, wie uns die Ausgaben sicher sind, stimmen wir dem uns vorliegenden Haushaltsplan 2022 mit Finanzplanung, sowie den Wirtschaftsplänen Wasser und Abwasser zu.

Wir danken der Verwaltung und ganz besonders der Kämmerei für die geleistete Arbeit.

Ebenso danken wir unseren Gemeinderatskolleginnen und -kollegen für die größtenteils gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit.

Für die Freie Wähler Hemmingen e.V.
Sabine Waldenmaier

 


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