Naturschätze in Hemmingen – Vortragsabend mit Herrn Dr. Gölzer / NABU Schwieberdingen-Hemmingen
Im Rahmen unseres letzten Monatstreffens hatten wir Herrn Dr. Gölzer, den Vorsitzenden des NABU Schwieberdingen-Hemmingen mit einem Vortrag über Naturschätze in Hemmingen zu Gast. Am Anfang stellte er kurz die Ziele des NABU und einige seiner Aktivitäten vor. Die Ortsgruppe Schwieberdingen-Hemmmingen hat 230 Mitglieder und ist in vielen Bereichen des Naturschutzes sehr aktiv. Sie betreut ca. 550 Nistkästen, veranstaltet unter anderem eine Bat-Night, in der Fledermäuse beobachtet werden. Auf der Streuobstwiese im Eulenberg wird jedes Jahr im Herbst mit Mühle und Presse Apfelsaft hergestellt. Eine Aktion, die besonders bei Kindern sehr beliebt ist.
Seine virtuelle Reise zu den Naturschätzen in Hemmingen begann Dr. Gölzer bei den Mammutbäumen im Rohrsperg. Sie hatten dieses Jahr einen runden Geburtstag. Vor 150 Jahren wurden sie gepflanzt. Mammmutbäume sind die größten Lebewesen der Erde. Unsere brauchen noch ein paar Jahre, bis sie in diese Kategorie vorstoßen. Sie sind trotzdem sehr imposant und ein lohnendes Ausflugsziel, gerade auch für Familien.
Vom Eulenbergwald zeigte uns Dr.Gölzer einen abgestorbenen Baum, Totholz. Dieser Baum ist zwar tot, aber trotzdem voller Leben. Spechte finden in ihm Larven und Maden als Futter. Sie hämmern sich Höhlen in den Baum, in denen sie ihren Nachwuchs großziehen. Eine Schlupfwespe, die aussieht wie ein Minibohrturm tastet mit ihren Beinen das Holz ab. Spürt sie die Bewegungen einer Made im Holz, bohrt sie mit ihrem Stachel bis zur Made und legt in diese ihre Eier ab. In der Made entwickelt sich dann der Nachwuchs der Schlupfwespe. Gut für den Fortbestand der Schlupfwespe, schlecht für die Made.
Der Böhnlachteich wurde auf Initiative des NABU angelegt. Er dient hauptsächlich Erdkröten, aber auch anderen Amphibienarten als Laichplatz. Im Sommer kann man dort unter anderem viele Libellenarten beobachten.
Fledermäuse waren das nächste Thema. Die Zwergfledermaus als kleinste und den großen Abendsegler als größte Fledermausart findet man in Hemmingen. Nach Aussage mehrerer Teilnehmer der Veranstaltung gibt es hier heute viel mehr Fledermäuse als früher. Vielleicht liegt es daran, dass viele Bauern in Hemmingen ihre Viehhaltung aufgegeben haben. In den nun nicht mehr genützten Scheunen finden die Fledermäuse einen ungestörten Rückzugsraum.
Über den Schlosspark, eine grüne Oase in Hemmingen, der durch das Baugebiet Hälde zum Central-Park wird, kamen wir zum Zeilwald. Dort steht der seltenste Baum im Kreis Ludwigsburg, eine einblättrige Esche. Diese Baumart ist die Urform der Esche. Sie gab es schon im Zeitalter der Dinosaurier. Ein lebendes Fossil im Hemminger Wald!! Der Baumfalke, der zum Überwintern bis nach Namibia fliegt, brütet dort auf einem Strommast. Pirol und Wendehals bauen im Zeilwald ihre Nester. Auch den Mittelspecht, die seltenste Spechtart in Deutschland, trifft man dort. Der Steinkauz, von dem es in der Schweiz noch 11 und in Bayern noch 4 Brutpaare gibt, zieht in Hemmingen jedes Jahr seine Jungen groß. Rebhühner stehen in Deutschland auf der roten Liste der vom Aussterben bedrohten Tierarten. Auf den Hemminger Äckern sind sie noch zahlreich vertreten. Seltene Orchideenarten wie die breitblättrige Stendelwurz und die Vogelnestwurz findet man neben dem Zeilwald auch noch an anderen Stellen in Hemmingen.
Der Regenpfeiferacker, das absolute Highlight der Hemminger Naturschätze
2008 fand eine Europaweite Synchronzählung von Goldregenpfeifern statt, um deren Wanderwege zu erforschen. Die Sichtung auf diesen Acker war die einzige in ganz Süddeutschland. Seitdem nennen die Ornithologen den Acker Regenpfeiferacker. Er liegt im Norden Hemminger Gemarkung zwischen Zeilwald und Katharinenlinde. Der Goldregenpfeifer, von dem es in Deutschland nur noch 9 Brutpaare gibt, brütet im Sommer hauptsächlich in Nordeuropa und Sibirien in der Tundra nördlich des Polarkreises. Wenn sie sich im Herbst auf den Flug zu ihren Überwinterungsquartieren in Südwesteuropa und Nordafrika begeben, rasten sie für einige Tage auf diesem Acker.
Durch Beobachtungen in den folgenden Jahren wurde festgestellt, dass sie sich jeden Herbst dort aufhalten. Aber was macht dieser Acker für diese Vögel so attraktiv?
Der Acker ist groß, ca. 30 ha. Es ist eine Hochebene, die nach allen Himmelsrichtungen leicht abfällt. Der Landwirtschaftliche Betrieb, der diesen Acker bewirtschaftet, baut dort nie Mais an, sondern nur Zuckerrüben und Wintergetreide. Der Acker ist zweigeteilt. So liegt mindestens ein Teil des Ackers im Herbst brach oder ist frisch eingesät. Durch die weite Ebene ohne einen Baum oder Strauch ist dieser Acker durch seinen Tundra-artigen Charakter für die Regenpfeifer sehr anziehend. Im ganzen Gebiet zwischen Hemmingen, Hard- und Schönbühlhof, Schwieberdingen und Hochdorf gibt es keine Aussiedlerhöfe, keine Stromleitungen und keine Parkplätze für Autos. Wanderer, Jogger, Hundehalter und Radfahrer trifft man nur auf den Wegen an der südlichen und östlichen Grenze, so dass die Vögel auf dem Acker völlig ungestört sind.
Seit der ersten Sichtung von Goldregenpfeifern im Jahr 2008 wurde dieses Gebiet zu Zeiten des Vogelzuges im Herbst systematisch beobachtet. Es werden nicht nur Goldregenpfeifer, sondern auch viele andere zum Teil sehr seltene Vogelarten beobachtet. Allein 13 verschiedene Limikolenarten, das sind Vögel die zur Familie der Regenpfeiferartigen gehören, wurden 2015 auf dem Regenpfeiferacker gezählt. Zu den regelmäßigen Rastgästen zählt der Mornellregenpfeifer, einer der seltensten Regenpfeifer, der in Schottland und Nordskandinavien brütet. Auf der Taymyr-Halbinsel, der nördlichsten kontinentalen Landmasse der Erde, zieht der Zwergstrandläufer seine Jungen groß. Er ist ein Langstreckenzieher und fliegt im Herbst zum überwintern bis nach Zentral- und Südafrika. Auf dem Regenpfeiferacker in Hemmingen rastete er einige Tage, bevor er sich dann weiter auf seinen Flug Richtung Süden machte.
Doch nicht nur auf dem Regenpfeiferacker ist im Herbst einiges los. Auch über dem Regenpfeiferacker herrscht Hochbetrieb. Zum Höhepunkt des Vogelzugs wurden an manchen Tagen bis zu 10.000 Zugvögel gesichtet.
Die Vögel aus Nordosteuropa fliegen über das Neckartal zwischen Stromberg und Löwensteiner Bergen, über Hemmingen, dann Richtung Rhonetal, Spanien und weiter über das Mittelmeer nach Afrika.
2015 wurden 102 verschiedene Vogelarten auf ihrem Flug zu ihren Überwinterungsquartieren beobachtet. Darunter an einem Tag 4 Fischadler am 8.9.15. Am Nachmittag vom 6.9.2015 kreisten 126 Wespenbussarde über dem Acker. Dass derart große Reisetrupps von Greifvögeln über Hemmingen beobachtet werden können, liegt an der Trichterwirkung von Stromberg und Löwensteiner Bergen. Am 22.8.2015 und am 8.9.2015 wurden 15 Schwarzstörche, mit ca. 500 Brutpaaren einer unserer seltensten Vögel in Deutschland, beobachtet. In Baden-Württemberg ist kein anderes Gebiet mit dieser Bedeutung als Rastplatz für Regenpfeifer, aber auch für andere Zugvögel bekannt. Ein echter, einzigartiger Naturschatz in Hemmingen.
Wir danken Herrn Dr. Gölzer nochmals sehr herzlich für seinen Vortrag. Vielleicht gibt es im Lauf der nächsten Jahre weitere interessante Beobachtungen der Flora und Fauna in Hemmingen und er besucht uns mal wieder.
Für die Freien Wähler Hemmingen
Günter Ramsaier
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